Mittwoch, 1. Januar 2014

2014 als Testzeitraum

Aktuelle Werte für einen dritten Test


Nach den ersten Testläufen für 2012 und 2013 sollen vergleichbare Strategiedepots für das neue Jahr eingesetzt werden, allerdings nach den aktuellen Daten mit den Aktien, die Ende Dezember 2013 oder genauer am letzten Börsentag des Jahres, also am 30.12.2013, den Kriterien der Anlagestrategien am besten entsprochen haben.

Dabei wurden die Auswahlkriterien des letzten Jahres beibehalten. So gibt es weiterhin ein Momentumdepot, das auf einem Formationszeitraum von sechs Monaten beruht, da für diese kürzere Periode die Gefahr geringer ist, dass der erwartete Anpassungsprozess bereits im folgenden Jahr deutlich an Kraft verloren hat, wie die Untersuchungsergebnisse in den empirischen Studien belegen.

Auf diesen Vorteil einer kürzeren Formationszeit für den Momentumeffekt wird daher auch im ValueMomentum-Depot zurückgegriffen.

Die Value-Strategie erfährt ebenfalls wie bereits für 2013 eine empirische Erweiterung. So wurden die für 2012 herangezogenen Indikatoren wieder durch zwei weitere ergänzt, und zwar durch das Kurs-Umsatz-Verhältnis (KUV) und das Kurs-Cashflow-Verhältnis (KCV). 

Da vor allem das KUV sowohl von der Eigenkapitalquote als auch den Profitabilitätsindikatoren (KGV, KCV, Dividendenrendite, KBV) unabhängig ist, kommen auf diese Weise verstärkt Aktien von Unternehmen auf hohe Rangplätze, die bei hohen Umsätzen kaum einen Gewinn oder Cashflow erzielen und daher nur niedrige Kurse besitzen. Eine Value-Strategie, die mit diesem Kriterium arbeitet, setzt also ähnlich wie die Dogs-Strategie auf einen Turnraround dieser Werte und nicht nur auf eine Korrektur einer Unterbewertung.

Da sich diese Akzentuierung nicht vollständig mit dem oben beschriebenen Verständnis einer Value-Anomalie deckt, wird diese Definition durch sechs Indikatoren nicht als überlegene Definition, sondern nur als ergänzende Variante verstanden.

Daher werden auch für 2014 zwei ValueMomentum-Depots betrachtet, die sich auf einem Testzeitraum von 6 Monate beziehen, jedoch die Value-Dimension entweder wie für 2012 durch vier Indikatoren oder ergänzend durch sechs Indikatoren definieren.

Durch diese Ergänzung der bisherigen Indikatoren um die drei Merkmale Kursentwicklung der letzten 6 Monate, KUV und KCV erweitet sich die Zahl der Testdepots von fünf auf acht.

Für 2013 werden sie durch folgende Aktien implementiert (1):


Dogs-Strategie 

(Definition wie für 2012)

Dogs of the DAX 2014

Aktie
Dividendenrendite in %
e.on
8,2
RWE St
7,5
K+S
6,3
Dt. Telekom
5,6
Münchener Rück
4,4
Daimler
3,5
Dt. Börse
3,5
Allianz
3,4
BASF
3,3
Siemens
3,0
            
Flying-Dogs-Strategie 

(Definition wie für 2012)             

Flying Dogs 2014

Aktie

Kurs am 30.12.2013

Dt. Telekom
12,47 €
e.on
13,42 €
K+S
22,38 €
RWE St
26,65 €
Dt. Börse
60,20 €
            
            
Momentum-12-Stratgie 

(Definition wie für 2012)
             
 Aktien mit starkem Jahres-Momentum 2013

Aktie

C.A.T.
Cancom
Grammer
Heidelberger Druck
LPKF
Nordex
QSC
SAF Holland
Sky Deutschland
Ströer
            
Momentum-6-Strategie 

(Definiert nach der Kursentwicklung zwischen dem 1.7. und dem 30.12.2013)  
      

Aktien mit starkem Halbjahres-Momentum 2013



Aktie

Aareal Bank
C.A.T.
Cancom
Commerzbank
Dialog Semiconductor
Drllisch
Nordex
Osram
SHW
Ströer

            
Value-4-Strategie 

(Definition wie für 2012)
             

Value-Aktien (nach vier Indikatoren ausgewählt) 


Aktie

Alstria office
Aurubis
Dt. Beteiligungs-AG
e.on
Gesco
K+S
SHW
SMA Solar
Südzucker
Wacker Neuson

Value-6-Strategie 

(Definiert durch die Value-Indikatoren wie für 2012 sowie zusätzlich KUV und KCV)


Value-Aktien (nach sechs Indikatoren ausgewählt) 


Aktie

Aurubis
CeWe
Delticom
freenet
Gesco
K+S
SHW
SMA Solar
Südzucker
Telefónica Deutschland




ValueMomentum-6M4V-Strategie 

(Definition wie für 2012, aber mit einem Testzeitraum von 6 Monaten)


ValueMomentum-Werte mit einem Testzeitraum von 6 Monaten und 4 Value-Indikatoren


Aktie

Amadeus Fire
Axel Springer
Bertrandt
Daimler
Dialog Semiconductor
freenet
Leoni
RTL Group
SHW
Volkswagen Vz
             
             
ValueMomentum-6M6V-Strategie 

(Definiert durch einen Testzeitraum von 6 Monaten und 6 Value-Indikatoren)        


ValueMomentum-Werte mit einem Testzeitraum von 6 Monaten und 4 Value-Indikatoren 

Aktie

Amadeus Fire
Bertrandt
CeWe
Continental
Dialog Semiconductor
freenet
Leoni
RTL Group
SHW
Volkswagen Vz

     
1) Bei den Angaben handelt es sich um keine Empfehlungen für den Kauf oder Verkauf von Aktien. Die Auswahl beruht auf Daten der Vergangenheit, die von anderen Autoren analysiert wurden und sich nicht zwangsläufig in die Zukunft fortschreiben lassen.

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Sonntag, 21. April 2013

Start

Jetzt mit Abrechnungen der Testdepots für 2013 und neu zusammengestellte Strategie-Depots für 2014!



Anlegertypen,   Anomalien und     Aktienrenditen



Hallo liebe Leserin,
hallo lieber Leser,

„noch ein Webangebot über Aktien? Muss das wirklich sein?“, werden sicherlich nicht wenige Userinnen und User fragen, die auf diese Seite stoßen.

Nun, einen Zwang gibt es sicherlich nicht, zumal hier nichts verkauft werden soll. Das ist zwar fast schon ein Alleinstellungsmerkmal unter vielen Aktienratgebern, aber zweifellos noch kein ausreichender Grund für weitere Ergänzungen der großen Informationsportale mit ihren zahlreichen individuellen Möglichkeiten oder die Vielzahl vorhandener professioneller und privater Aktienseiten von Börsenfans.

Aber es gibt hier noch weitere Unterschiede gegenüber dem Mainstream.

Im Fokus stehen einerseits Ergebnisse der empirischen Finanzmarktwissenschaften, die Überrenditen für Aktiendepots ausweisen, die nach spezifischen Kriterien erstellt wurden.

Andererseits werden Untersuchungen zur Anlegerpersönlichkeit und zu möglichen Typisierungen von Anlegern angesprochen, wobei nicht nur die unterschiedliche Risikobereitschaft herausgestellt wird.

Im Ergebnis werden auf dieser Basis verschiedene Strategien vorgestellt, bei deren Anwendung sich unterschiedliche Anleger wohlfühlen können, ohne dabei auf eine Suche nach möglichen Überrenditen verzichten zu müssen. Es geht also mit anderen Worten um Anlegestrategien, die der Mentalität von Zockern oder Langfristanlegern entsprechen, ohne dadurch bereits auf die Ausnutzung von Marktchancen verzichten zu müssen.

Ein kleiner Wegweiser soll an dieser Stelle die Orientierung im Blog erleichtern. Die Schlüsselbegriffe ergeben sich dabei aus dem Titel.

Grundelemente der persönlichkeitsbezogenen Strategien sind die als Anomalien diskutierten empirischen Abweichungen vom Modell der „Trilogie der modernen Finanzwissenschaft“ aus moderner Portfoliotheorie (MPT), Capital Asset Pricing Model (CAPM) und Effizienzmarkthypothese (EMH).

Dieses Konzept wird kurz vorgestellt, um anschließend einen Überblick über wichtige Anomalien zu geben, so den Größe-Effekt, verschiedene Value- und Momentum- sowie nicht zuletzt auch saisonale bzw. Kalendereffekte.

Aus diesen Bausteinen lassen sich verschiedene Anlagestrategien entwickeln, von denen auf die Dogs-, die Hot-Stock-, die Momentum-, die Value- und die ValueMomentum-Strategie näher eingegangen wird.

Teilaspekte dieser Strategien werden in einigen Spezialbeiträgen vertieft angesprochen. Dabei werden vor allem besonders risikoreiche Aktiengruppen näher behandelt. Hierzu zählen Mantel- und Insolvenzwerte, Fußballaktien und als Beispiel für einen wenig bekannten ausländischen Markt ukrainische Aktien.

Auf der anderen Seite des Risikospektrum beschäftigt sich ein Beitrag mit deutschen Beteiligungsgesellschaften, die nach Value-Prinzipien investieren.

Wie die Diskussion der Anomalien und Strategien zeigt, bieten sie keineswegs Garantien für fast sichere Börsengewinne. Das zeigen nicht zuletzt praktische Tests, in denen Depots nach den ausgewählten und für die jeweilige Strategie als besonders relevant definierten Indikatoren ausgewählt wurden. Erste Ergebnisse liegen für die Jahre 2012 und 2013 vor. Ein monatliche Fortschreibung erfolgt aktuell für 2014


Bei allen diesen Aussagen dürfen interessierte Leserinnen und Leser nicht vergessen, auch wenn das nach den häufig so überzeugenden empirischen Ergebnissen vieler Untersuchungen manchmal schwer fällt, dass sich alle Aussagen nur auf Aktienmarktentwicklungen in den jeweiligen Untersuchungszeiträumen und –regionen beziehen. Sie sind also zeitlich und räumlich begrenzt, sodass sie keinesfalls einen Blick in die bei Anlageentscheidungen vor allem interessierende Zukunft geben können. 

Wir können nur diskutieren, was Analytiker bisher als Ergebnisse gefunden haben, ohne damit jedoch eine esoterische Kristall- oder Seherkugel erworben zu haben, die uns einen klaren und eindeutigen Blick in die Zukunft erlaubt. 

Wir dürfen schließlich auch an der Börse nicht vergessen, was Philosophen über die Welt und uns Menschen festgestellt haben. Und das reicht vom „Alles fließt“ eines Heraklit und eines umstrittenen sozialen Determinismus bis hin zu den konkreten Prognoseproblemen der selbsterfüllenden und selbstzerstörenden Prophezeiung

Oder um es mit den Worten des Naturwissenschaftler Isaac Newton zu sagen: "Ich kann zwar die Bahn der Gestirne auf Zentimeter und Sekunden berechnen, aber nicht, wohin eine verrückte Menge einen Börsenkurs treiben kann."

Es geht hier daher nicht um die Vorstellung einer angeblich todsicheren Methode, um in wenigen Tagen an der Börse zum Millionär zu werden, sondern um die Diskussion von Strategien, die der Persönlichkeit des jeweiligen Anlegers entsprechen und gleichzeitig an der Börse nicht von vornherein chancenlos sind.

Dazu ist es nötig, etwas über sich selbst zu erfahren und über den Aktienmarkt.






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Impressum

MPT, CAPM und EMH:


Die Trilogie der modernen Finanztheorie



Seit Aktien gehandelt werden, haben sich immer wieder mehr oder weniger bekannte Anleger damit beschäftigt, die Kurse vorauszusagen und mit diesem Wissen reich zu werden. Die Erfolge dabei waren allerdings sehr begrenzt, was stellvertretend für viele andere der bekannte Physiker Isaac Newton erkennen musste, als er nach dem Platzen der Südsee-Blase resignierend feststellte: „Ich kann zwar die Bewegungen der Himmelskörper berechnen, aber nicht die Verrücktheit der Menschen.“

Auch wenn es wegen des irrationalen menschlichen Handelns kein Gravitationsgesetz für Aktien gab, führte das keineswegs zu einer Abstinenz bei Aktienprognosen. Um sich in der risikoreichen Börsenwelt zu orientieren, greifen Börsianer bekanntlich nur zu gern zu Empfehlungen, die als todsichere Tipps den Weg zum großen Reichtum weisen sollen. Man konnte und kann daher mit einem geschickten Verkauf von Empfehlungen häufiger leichter Geld verdienen als mit dem Eingehen risikoreicher Investments an der Börse.

Über mehrere Jahrhunderte kannten die Börsianer so zwar eine Vielzahl von teilweise aphoristischen Heuristiken, in denen Börsenerfahrungen gesammelt waren, aber kaum überprüfte und nachvollziehbare Kriterien für die Auswahl besonders chancenreicher Aktien. Hier bedeutete die noch heute bekannte und angewendete Studie „Security Analysis“ von Benjamin Graham und David Dodd einen wichtigen Schritt nach vorn. Dieses Handbuch versucht eine ganz gezielte Bilanzanalyse, wodurch sich Aktien auswählen lassen, die die besten Voraussetzungen für eine gute Börsenkarriere besitzen. Dieses Buch, das die Autoren als eine seriöse Orientierung nach den Kurseinbrüchen des „schwarzen“ Freitags 1929 sahen, ist erstmals 1934 erschienen und durch den legendären Investmentmilliardär Warren Buffett zur Anlegerbibel aller Value-Anleger weltweit geworden.

Jahre später hat sich mit John Maynard Keynes ein weiterer Ökonom mit der Erklärung von Aktienkursen beschäftigt, wobei auch er vor dieser intellektuellen Aufgabe kapitulierte, obwohl er als praktischer Anleger durchaus erfolgreich war. Er vergleicht die Kursprognose mit damals beliebten Schönheitswettbewerben, bei denen derjenige Sieger wurde, der aus mehreren zur Wahl stehenden Fotos von Modells das ausgewählt hatte, das auch von den meisten anderen Teilnehmern als das schönste ausgewählt worden war. Diese Beauty Contest entsprachen also einer Wahl zum Tor des Monats, nur dass eben nicht Tore beim Fußballspiel, sondern attraktive Frauen bewertet wurden.

Übertragen auf den Aktienmarkt sieht Keynes damit die Aufgabe des Investors in der Auswahl von Aktien, die andere Börsenteilnehmer demnächst positiv bewerten und daher kaufen werden. Da andere Anleger ganz entsprechende Überlegungen anstellen, gelangt Keynes zu der Feststellung: „Wir haben den dritten Grad erreicht, bei dem wir unsere Intelligenz darauf verwenden, welche Meinungen die meisten Leute über die Meinung der meisten Leute haben. Und es gibt einige, glaube ich, die den vierten, fünften oder noch höhere Grade praktizieren.“

Im Resultat gelingt so möglicherweise eine gute Definition des Problems, ohne dass jedoch ein Lösungsweg aufgezeigt wird. Ähnlich wie schon bei Newton scheinen die Aktienkurse das Ergebnis sehr komplexer psychischer Prozesse der Marktteilnehmer zu sein.

Aus der Sicht der heutigen Finanzmarktwissenschaft, die Zusammenhänge auf dem Aktienmarkt erklären und damit auch prognostizieren will, fehlten damit Erklärungsmodelle und empirische Untersuchungen, in denen die vorliegenden Daten über Kurse und Firmendaten statistisch ausgewertet waren. So standen lange Zeit differierende Empfehlungen nebeneinander, ohne dass man über Methoden und Ergebnisse verfügte, die etwas über deren theoretische und prognostische Qualität aussagten.

Folgt man einer Einteilung des amerikanischen Finanzmarktforscher Robert A. Haugen (1999), wurde diese „alte“ Finanzwissenschaft zwischen 1950 und 1970 von einer wissenschaftlichen Revolution abgelöst, die zur „modernen“ Finanzwissenschaft führte.

Im Zuge dieses Paradigmenwechsels wurden die Wertpapiermärkte in einer völlig veränderten Perspektive gesehen. Dabei richtete sich der Blick nicht mehr auf unterbewertete oder chancenreiche Einzelwerte, sondern auf die Konstruktion sogenannter effizienter Portofolios entsprechend der jeweiligen Risikobereitschaft eines Investors.

Die Geburt der modernen Finanztheorie erfolgte in den frühen 1950er Jahren, als der junge Doktorand Harry Markowitz das Verhalten von Anlegern einerseits und die Empfehlungen der Broker anderseits verglich. Dabei stellte er eine Diskrepanz fest: Während die Kauftipps immer zukünftige Gewinne oder Kursziele herausstellten, versuchten die Anleger verschiedene Anlageformen zu mischen, obwohl sie wussten, dass sie dadurch schlechter abschnitten, als andere Anleger, die ihr ganzes Vermögen auf das beste Pferd gesetzt hätten.


Der durchschnittliche Anleger bevorzugt jedoch eine Diversifikation, wie schon das Beispiel früher Aktienanlagegesellschaften in England und Schottland zeigt, die seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ihr Gesamtvermögen wie ein Investmentfonds streuen.

Der Grund für diese Diversifikationspräferenz war auch nicht unbekannt. Man sah es einfach als Tatsache an, dass niemand mit Sicherheit weiß, welches Papier sich am besten entwickeln wird, da wie etwa Keynes bemerkt hatte, die Kursentwicklung von vielen Faktoren und nicht zuletzt unübersehbar vielen kleineren oder größeren Zufällen abhängt, die niemand voraussehen kann.

Die Rendite kann daher, wie Markowitz aus dem beobachtbaren Anlegerverhalten schlussfolgerte, nicht das alleinige Auswahlkriterium sein, denn dann würde jeder sein gesamtes Vermögen auf die vermeintlich beste Aktie setzen. Anleger wollen vielmehr, die "Überraschungen" einzelner Wertpapiere, die in ihren unvorhergesehenen Ergebnissen bestehen, reduzieren. Mit anderen Worten: Individuen wollen bei ihrer Anlage immer zwei Ziele gleichzeitig erreichen: Rendite und Sicherheit.

Markowitz kennzeichnete daher die Ertragsvarianz, also die Streuung der Renditen, die bei Investitionen in verschiedene Aktien auftritt, als etwas nicht Wünschenswertes bzw. als das Risiko, das Anleger vermeiden oder wenigstens minimieren wollen. Die Begriffe Risiko und Varianz werden damit in der Portfoliodiskussion zu Synonymen.

Markowitz bahnbrechender Einfall, der ihm 1990 später den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften einbringen sollte, bestand in der Entwicklung einer Strategie, mit der man nicht eine Menge isolierter Aktien auswählt, sondern ein Portfolio aus Aktien aufbaut, durch das ein Anleger, der eine vorgegebene Risikobereitschaft besitzt, eine maximale Rendite erzielen kann. Der spätere Nobelpreisträger sprach daher von Portfoliooptimierung (portfolio optimization), wobei sich der Begriff Portfolio von den lateinischen Wörtern portare (tragen) und folium (Blatt bzw. Seite) ableitet. Ein Portfolio ist somit eine Sammlung von Wertpapieren, die in diesem Fall nach bestimmten Kriterien ausgewählt werden.



Die moderne Portfoliotheorie (MPT)


Die beiden Kernbegriffe der modernen Portfoliotheorie (MPT), wie sie Markowitz in seiner Dissertation entwickelt hat, sind damit die Rendite und das Risiko, das er als Ertragsvarianz operationalisiert.

Das gesamte Risiko eines Portfolios lässt sich dabei nach Markowitz in zwei Komponenten unterteilen, und zwar

1. In das systematische Marktrisiko, das sich in einer Kursbewegung widerspiegelt, die proportional zum Gesamtmarkt verläuft und nicht diversifizierbar ist.

2. In das unsystematische Risiko, das sich in Kursreaktionen zeigt, die auf unternehmensspezifische Daten zurückgehen und insofern diversifizierbar ist.

Für ein optimales Portfolio soll daher das unsystematische Risiko möglichst beseitigt werden. Das geschieht durch eine gezielte Diversifikation der Anlagewerte.

Bei der Analyse der Aktienkurse lässt sich feststellen, dass sich die Einzelwerte mehr oder wenig ähnlich entwickeln wie der Markt bzw. ein breiter Marktindex.

Ihr Kurs war nicht mehr, wie einst bei Keynes von einer Vielzahl von mehr oder weniger zufälligen und damit schwerlich prognostizierbaren Einzelfaktoren abhängig, sondern ließ sich sehr einfach bestimmen. Und dabei gab es noch einen ganz gewichtigen Vorteil. Es waren keinen mühsamen Bilanzanalysen oder Blicke in die ohnehin nicht existente Kristallkugel der Wahrsagerinnen erforderlich, sondern nur ein paar Dateneingaben in einen Computer oder ein Blick auf eine entsprechende Auswertung, die Banken oder Börsenblätter dem interessierten und aufgeklärten Anleger zur Verfügung stellen könnten.

Die individuellen Komponente, die Sharpe nur betrachtete, lässt sich weiter aufspalten. Zufallsschwankungen, als unsystematische Abweichungen vom Marktdurchschnitt, lassen sich durch die Diversifikation ausgleichen, so dass sie ökonomisch gesehen nicht weiter beachtet werden müssen. Diversifikation ist und bleibt so zur Absicherung gegenüber Risiken wichtig, aber hier ist noch nicht der Midasstab verborgen, der aus einem Portfolio mit mäßigen Erträgen eines mit überdurchschnittlichen Zuwächsen machen kann.

Anders sieht es mit den Schwankungen aus, die die Variabilität des Marktes verstärken oder abschwächen. Dieses Komponente lässt sich durch eine Diversifikation nicht ausgleichen und stellt damit eine unerwünschte Folge einer Aktieninvestition dar. Da ein rationaler Anleger unnötige Kosten vermeiden will, wird er in diese Werte mit überdurchschnittlich starker Volatilität nur investieren, wenn ihn eine höhere erwartete Rendite entschädigt. Damit wird erstmals eine klassische ökonomische Argumentation in die Debatte eingeführt.

William F. Sharpe geht von der Erwartungsnutzentheorie aus und unterstellt, dass jeder Anleger den Erwartungswert der Gesamtrendite maximieren will, allerdings so, dass die erwarteten Werte nicht allzu sehr streuen, er also sein angestrebtes Ergebnis auch möglichst sicher erwarten kann.

Weil das unsystematische Risiko aufgrund der Diversifikation beseitigt werden kann, muss es der Markt nicht ausgleichen. Anders sieht es mit dem systematischen Risiko aus. Da es nicht diversifizierbar ist, muss der Anleger durch eine entsprechende Prämie belohnt werden, wenn er bereit ist, diese Schwankung der Renditen zu erleiden.
Die Streuung der Renditewerte insgesamt erfordert so keine Risikoprämie, sondern nur ein Teil, und zwar ihre Schwankung im Gleichklang mit der des Gesamtmarktes. Es ist also festzustellen, wie sich ein Einzelwert verhält, wenn der Markt um 1%, 10% oder 15% steigt oder fällt. 

Einen derartigen Zusammenhang erfasst die Korrelations- bzw. Regressionsrechnung, wobei Beta als Maß für die Steigung der Regressionsgeraden für die Kursveränderungen des Marktes und der betrachteten Aktie die gesuchte Risikogröße ist, die der Markt als nichtdiversifizierbare Risikokosten dem risikofreudigen Anleger prämieren muss. 

Capital Asset Pricing Model (CAPM) 


Das Capital Asset Pricing Model (CAPM) ist auch heute noch – mehr als vierzig Jahre nach seiner Veröffentlichung durch Sharpe und Lintner (1964-5) eines der wichtigsten Modelle der Finanzmarktökonomen. Es liefert Aussagen über die
erwarteten Renditen risikobehafteter Anlagen und wird unter anderem eingesetzt zur Bestimmung von Kapitalkosten, im Rahmen des Risikomanagements und zur Überprüfung des Anlageerfolges. Gleichzeitig liefern empirische Studien allerdings oft wenig empirische Unterstützung für das CAPM.

Eine mögliche Erklärung für die geringe empirische Evidenz zugunsten des CAPM besteht darin, dass das CAPM theoretische Aussagen über die erwarteten Renditen liefert, die empirischen Überprüfungen aber typischerweise auf Basis von realisierten Renditen erfolgen.

Gemäß der auf Sharpe (1964), Lintner (1965) und Mossin (1966) zurückgehenden Standardversion des CAPM hängen die erwarteten Überschussrenditen risikobehafteter Anlagen positiv von deren systematischen Risiken (Beta) ab.

Dieses Modell bringt damit eine völlig neue Perspektive in das Anlageverhalten. Die alten Standards, die, da sie dem gesunden Menschenverstand zu entsprechen scheinen und daher die Börsentipps in Zeitungen, Magazinen, Chat-Rooms usw. usf. füllen, werden völlig entwertet. Es ist ganz gleich, was ein Unternehmen herstellt, ob es sich um High-Tech-Produkte wie Roboter, Computer oder Software handelt, oder um einen Steinbruch, der Jahr für Jahr Pflastersteine liefert. Auch die Qualität des Managements muss nicht interessieren. Und schließlich ist die bisherige Performance uninteressant, sei es, dass sich eine Gesellschaft auf einem wachsenden Markt mit schönem Umsatz und noch schöneren Gewinn- und Kursgewinnen bewegt, oder sich, da Märkte wegbrechen, in einem beängstigenden Tiefflug befindet.

Die Hypthese effizienter Aktienmärkte (efficient-market hypothesis (EMH))


Während die MPT und das CAPM zu einer veränderten Sicht des Anlegerverhaltens führen, indem sie an die Stelle des Stockpickings, also der Auswahl einzelner Werte, den Blick auf ein gesamtes Portfolio lenken, problematisiert die sogenannte Effizienzmarkthypothese (EMH) den Sinn von Aktienempfehlungen ganz generell. Das gilt zumindest im Hinblick auf die Möglichkeit, durch die Wahl besonders „heißer“ Werte besser abzuschneiden als der Gesamtmarkt, wenn man einmal den Risikoaspekt vernachlässigt. Die zahlreichen Tippdienste, die einen Anleger mit angeblich profitträchtigen Empfehlungen Glanz in sein Portfolio bringen wollen, sind damit praktisch nutzlos. Sie können vielleicht zu höheren Börsenumsätzen führen, da es ständig neue Tipps gibt, aber auch das dürfte eher Überrenditen, also Kurssteigerungen, die über denen des Gesamtmarktes liegen, verhindern. Der Reiz dieser angeblichen Anlegerhilfen liegt also ausschließlich im Profit, den sie den Herausgebern bringen.
In diesem Fall lassen sich die Aussagen sogar hart formulieren, da sie anders als bei dem im CAPM der unterstellen Zusammenhang zwischen Varianz bzw. Risiko und der Rendite empirisch belegt sind. Anders als die MPT und das CAPM hat die EMH den großen Vorteil, dass sie durch eine Reihe empirischer Untersuchungen abgesichert werden konnte. So stellte etwa 1978 der amerikanischen Finanzwissenschaftler Michael Jensen fest: „Es gibt in der Ökonomie keine andere Annahme, die eine stärkere empirische Unterstützung erfährt als die Hypothese eines effizienten Marktes“.

Die Effiziensmarkthteorie geht auf Eugene F. Fama zurück, der 1964 mit der Arbeit The Behavior of Stock Market Prices promoviert. Die Kernaussage seiner Dissertation bestand darin, dass auf Finanzmärkten in den jeweiligen Preise bereits alle zur Verfügung stehenden Informationen enthalten sind, sodass niemand durch den Kauf einzelner Aktien dauerhaft überdurchschnittliche Gewinne erzielen kann.

Diese Aussage ist plausibel, wenn man sich vergegenwärtigt, dass an der Börse Transaktionen nur möglich sind, wenn sich Käufer und Verkäufer auf einen Preis, eben den Kurs, einigen können. In diesem Kurs sind daher die Erwartungen beider Seiten enthalten oder, wie man auch sagt, eingepreist. Es scheint sich also um einen Preis zu handeln, der aufgrund aller vorliegenden Daten über das Unternehmen, den Markt und die volkswirtschaftliche Entwicklung fair ist. Andernfalls würden Marktteilnehmer, die über bessere Informationen verfügen, durch entsprechende Transaktionen die entstandenen falschen Kurse für sogenannte Arbitragegeschäfte nutzen und damit den Kurs korrigieren.
Bezüglich der relevanten Informationsmenge unterscheidet man üblicherweise drei Effizienzgrade der Märkte: 

a) eine schwache Effizienz (weak form efficiency), falls die gesamte Informationsmenge nur die vergangenen Preise umfasst. Historische Kursdaten sind im Preis enthalten, geben keinen Aufschluss über die zukünftige Preisentwicklung, und es lassen sich damit auch keine außergewöhnlichen Gewinne erzielen.

b) eine mittelstarke Effizienz (semi-strong form efficiency), wenn die gesamte Informationsmenge nicht nur die vergangenen Preise, sondern alle übrigen, öffentlich zugänglichen Informationen enthält, was bei Aktien generell gegeben ist, und

c) eine starke Effizienz (strong-form efficiency), falls die gesamte Informationsmenge sämtliche, auch nicht öffentlich zugängliche Informationen ("Insider"-Informationen mit monpolistischem Zugang) einschließt. Eine Annäherung an dieses Informationsniveau soll durch die vorgeschriebenen Meldungen von Insider-Transaktionen erreicht werden.
Nicht erfasst werden dadurch jedoch die Kenntnisse von Mitarbeitern oder Kunden. 

Der Wettbewerb "rationaler, auf Renditemaximierung ausgerichteter" Akteure sorgt also an der Börse dafür, dass alle Nachrichten vollständig und im Hinblick auf ihre zukünftigen Implikationen umgehend richtig eingepreist werden. Voraussetzung dafür ist neben der Informationseffizienz auch ein liquider Markt, denn ohne Angebot und Nachfrage kann kein Auspendeln der Preise erfolgen. So besitzen etwa Taxkurse, also Preis, zu denen gar keine Aktien gehandelt wurden, nicht die Eigenschaften von Kursen, die zwischen unabhängigen Käufern und Verkäufern ausgehandelt wurden. Dasselbe gilt für „abgesprochene“ oder fingierte Transaktionen, durch die Kursstellungen erzeugt werden sollen, um die weitere Kursentwicklung zu beeinflussen, wie man es häufig bei Pennystocks findet.

In einer Reihe empirischer Untersuchungen wurde die EMH bestätigt. So ließ sich zeigen, dass Fonds, die bekanntlich von Experten gemanagt werden, im Durchschnitt nicht über längere Zeit besser abschneiden als der Makrt, sondern ihn vielmehr um den jeweiligen Gebührensatz des Fonds unterperformen. Auch Wettbewerbe zwischen Gurus und dem Zufall, der mediengerecht beispielsweise durch einen Affen, der Darts auf einen Kurszettel geworfen hat, repräsentiert wurde, konnten den Ruf der hochbezahlten Experten nicht weiter festigen. Auch sie mussten sich der macht des Zufalls beugen, was auch generell für die Massen an Aktienempfehlungen gilt, mit denen Anleger überflutet werden. Sie zahlen sich, wie ernüchternde Untersuchungen gezeigt haben, nur aus, wenn man die jeweiligen Papiere günstig vor der Veröffentlichung des Tipps kauft und schnell auf den Markt wirf, wenn die jeweilige einmalige Chance zum schnellen Reichtum publiziert und zu Käufern gläubiger Leser geführt hat. Das heißt natürlich nicht, dass es keine Fonds, Experten und Empfehlungen gibt, die den Markt schlagen. Die Werbeaussagen dürften in diesen Fällen durchaus zutreffen. Nur zeigen sie jeweils nur einen Teil der Wirkungen des Zufalls. Es sind die Würfe einer „6“, die jeder mit einem idealen Würfel erzielen kann.

Zudem hilft auch der menschliche Glaube an erreichbare Ziele und die Ablehnung bloß zufälliger Entwicklungen. Das hat einen Vertreter der EMH wie Burton Malkiel zu einer fast resignierend klingenden Erkenntnis gebracht: „Einem Anleger zu sagen, dass er es nie schaffen wird, den Markt zu schlagen, ist ungefähr genauso wirkungsvoll, wie einem sechsjährigem Kind zu erklären, dass es den Weihnachtsmann nicht gibt.“

Dennoch hat die EMH mit ihrer harten Aussage über die Möglichkeit von Überrenditen zu zahlreichen empirischen Untersuchungen geführt. Viele Forscher haben das vorhandene Datenmaterial von Börsenkursen und Unternehmensdaten benutzt, um festzustellen, ob es nicht doch Ausnahmen von diesen rein zufälligen Kursentwicklungen gibt, sich der Markt also schlagen und sich smarte Anleger über schöne Überrenditen freuen können.

Und diese Suche wurde durchaus belohnt. Man hat eine Reihe von Abweichungen der Kurse von rein zufälligen Entwicklungen gefunden und sogar Erklärungen für diese Anomalien vorgeschlagen.

Quellen:
Fama, Eugene, The Behavior of Stock Market Prices, in: Journal of Business, 1965,34-105.
Haugen, Robert A., The New Finance: The Case Against Efficient Markets, 1999.
Malkiel, Burton, A Random Walk Down Wall Street, 1973.
Markowitz, Harry, Portfolio Selection, in: The Journal of Finance, 1952.
Waldhauser, Stefan, Eine Einführung in die Portfolio Selection Theory.








Mäntel


Kurssternschnuppen bei Pennystocks

 
Chancen einer Strategie für Mantelaktien



Reiz und Risiko von Pennystocks


Anleger lieben Kurssteigerungen. Richtige Aufmerksamkeit erreichen jedoch Kurssprünge und  wirklich mitreißend, ja unwiderstehlich verführerisch sind für Börsenzocker Verdoppelungen oder noch höhere Vervielfachungen der Einstiegskurse. Derartige traumhafte Chancen findet man zwar nur ganz ,ganz selten, aber sie können zum später gern erzählten Börsenlatein der beteiligten Akteure werden.

Immerhin wird über derartige Ereignisse auch in der Wirtschaftspresse berichtet, wenn auch mit einem warnenden Unterton. Zwar fehlen dabei keine Warnungen vor einem hohen Risiko, aber auch die erzielbaren Renditen werden gleichzeitig sogar als Überschriften gewählt. So brachte das Anlegermagazin Börse Online gleich zwei Artikel über Tria IT mit den Titeln „567 Prozent Kursplus in vier Tagen“ und „Der 75.900-Prozent-Wahnsinn“.

Aber dann kann man wieder einmal erkennen, nur der Mutige kann an der Börse Erfolg haben, und Börsengewinne müssen durch schlaflose Nächte erkauft werden. Wie sagte doch der Grandseigneur André Kostolany: „An der Börse gibt's nur Schmerzensgeld. Erst kommen die Schmerzen, dann das Geld!“ Und in einem weiteren Aphorismus stellte er heraus, dass man schon etwas mehr braucht als eine masochistische Leidensfähigkeit: „Wenn die Börsenspekulation leicht wäre, gäbe es keine Bergarbeiter, Holzfäller und andere Schwerarbeiter. Jeder wäre Spekulant.“

Insolvenz- und Mantelaktien

Unter den Pennystocks, bei denen sich diese Kurswunder fast ausschließlich ereignen, lassen sich mehrere Klassen unterscheiden. So werden einige Werte bereits von Anfang an mit niedrigen Kursen gelistet, wobei man deswegen die Gesellschaften außerhalb Deutschlands gründet, da hierzulande eine Aktie nach dem Aktiengesetz mindestens einen Wert von 1 € des Grundkapitals repräsentieren muss. Das ist jedoch in den Niederlanden und der Schweiz nicht der Fall. Die Gründer dieser Gesellschaften beginnen also sogleich mit einem Pennystock-Spiel, was ihre Seriosität gegenüber ihren Aktionären nicht gerade in ein optimales Licht rückt.

Neben diesen geborenen Pennystocks hat in anderen Fällen ein fehlender wirtschaftliche Erfolg zu Insolvenzen von Unternehmens geführt, sodass deren Aktien nur noch Beteiligungen an der Insolvenzmasse repräsentieren. Dabei bleibt für die Aktionäre dieser Insolvenzwerte als Eigentümer und damit als nachrangige Gläubiger im Sinne des § 39 Insolvenzordnung, die erst Anspruch auf Zahlungen haben, wenn die Forderungen aller Gläubiger zu 100 % befriedigt sind. 

Jedoch nicht immer, denn manchmal lässt sich zumindest die Börsennotierung ohne Belastungen durch die Forderungen anderer Gläubiger retten. Da das operative Geschäft vorher zumeist abgetrennt und verkauft wurde, bleibt so ein sogenannter Aktienmantel übrig, der wieder mit einem neuen operativen Geschäft gefüllt werden kann. In diesem Fall spricht man dann von einem Cold-IPO, bei dem sich im Vergleich zu einem üblichen Börsengang oder IPO (Initial Public Offering) Kosten und Zeit sparen lassen.

Diese Mantelgesellschaften, die aus der Börsennotierung, einer Verwaltung mit Vorstand und Aufsichtsrat sowie einer mehr oder weniger gehaltvollen Bilanz bestehen, warten dann auf einen Interessenten, der sie für die Einbringung neuer Aktivitäten nutzen will.

Falls IPOs relativ aufwendig sind, können derartige Vorratsgesellschaften so beliebt sein, dass sie von Spezialisten wie Advantec, Carthago Capital, CFO und XIAG SPAC Invest, sogar ganz ohne eine Vorgeschichte retortenmäßig gegründet werden. Man spricht dann von synthetischen Mantelgesellschaften.

Während bei den geborenen Pennystocks möglicherweise ein wenig greifbares operatives Geschäft vorliegen kann, ist das bei den Insolvenz- sowie den klassischen und synthetischen Mantelwerten praktisch nicht der Fall. Man hat es hier mit leeren Hüllen zu tun, und dennoch ereignen sich bei ihnen erstaunliche Kurswunder.

Da stellt sich zwangsläufig die Frage, ob smarte Börsianer tatsächlich von den Kurssprüngen bei diesen relativ wertlosen Aktien von Unternehmen profitieren können, die gar kein operatives Geschäft aufweisen.


Amerikanische Verhältnisse

 
In den USA ist man dieser Frage in einer umfangreichen empirischen Analyse nachgegangen. Ioannis Floros und Travis Sapp von der Iowa State University in Ames haben dort im Juni 2010 ein Arbeitspapier mit dem Titel „Shell Games: On the Value of Shell Companies” veröffentlicht. Darin wird die Kursentwicklung von 585 in den USA gehandelten Mantelgesellschaften untersucht und im Rahmen des Handlungskalküls eines rationalen Investors interpretiert.

Dabei stellten sie fest, dass die Kurse dieser Gesellschaften tendenziell fallen, wobei sie sich sogar innerhalb von acht Monaten halbieren. Ein kräftiger Anstieg, der im Durchschnitt etwa drei Monate andauert und insgesamt stolze 48,1 % beträgt, tritt jedoch ein, wenn ein neues Geschäft in den Mantel eingebracht und eine entsprechende Nachricht publiziert wird. Dieser Fall war in den USA relativ häufig, da er innerhalb eines Jahres bei der Hälfte aller betrachteten Mantelgesellschaften eintrat.

Diese kurzfristige Überrendite lag damit über der normaler IPOs und entschädigte damit nach der Interpretation der beiden Autoren die Investoren für die vorangehenden Kursverluste und das Risiko, sich an einem möglicherweise unattraktiven Mantel beteiligt zu haben.

Dem dreimonatigen Kursfeuerwerk folgte anschließend ein extremer Kursverfall, der über 90 % betrug.

Bei dieser volatilen Kursstruktur brauchten die Anleger also gute Nerven und ein glückliches und vor allem schnelles Händchen beim Ein- und Ausstieg. Wichtig ist es daher vor allem, Mantelgesellschaften auszuwählen, für die eine hohe Wahrscheinlicht besteht, dass ein reales Geschäft in das leere Rechtskleid eingebracht wird, da ansonsten die Mantelgesellschaften für ihre bloße Existenz nur Geld verbrennen. So brachte eine längerfristige Beteiligung an einem Portfolio aus Mantelgesellschaften im Durchschnitt Verluste.

Ein Investor steht daher nach dieser Untersuchung nur auf der Gewinnerseite, wenn ein Geschäft innerhalb von fünf Monaten nach dem Kauf der Aktie eingebracht wird. Dabei stellten sich vor allem die Illiquidität der Gesellschaften und die Unsicherheit über die tatsächliche Einbringung eines Geschäfts als besondere Probleme heraus.

Langer Schlaf und kurze Explosion oder Tod


Ein Blick auf die Charts deutscher Aktien dieser drei Klassen von Pennystocks kann diese Problematik veranschaulichen. Im Chart der Tria IT zeigt sich, wie der Kurs aus einem langen Schlaf plötzlich zu erwachen scheint, eine wahre Explosion erfährt und dann rasch wieder deutlich zurückfällt.


Dieser Absturz kann im Extremfall wie bei Sunburst Merchandising im Delisting von der Börse enden, nachdem die Gesellschaft zuvor vom Registergericht gelöscht wurde. Das bedeutet dann praktisch den Totalverlust des Investments.

Insolvenzaktien 

Zuvor hatten diese Aktien häufig ein sehr intensives Kursleben, aber mit dem Insolvenzantrag wird eine Entwicklung endgültig besiegelt, die zuvor meist schon längere Zeit vermutet wurde. Ein Beispiel ist der Kursverlauf der Aktie von Solar Millennium, einer Gesellschaft, die solarthermische Projekte in Angriff genommen hat und am 21. Dezember 2011 einen Insolvenzantrag gestellt hat.

Kursentwicklung von Solar Millennium während der Insolvenz

Datum

Schlusskurs
Volumen
20.12.2011
1,10 €
17.600
21.12.2011
0,40 €
381.800
22.12.2011
0,36 €
416.800
4.04.2012
0,09 €
101.300


Synthetische Mantelaktien


Erheblich ruhiger bewegen sich die Kurse von Vorrats- oder synthetischen Mantelgesellschaften, da sich an ihrem Geschäftsmodell nichts ändert, bevor sich ein Käufer findet. Vorher wird nur Kapital für den laufenden Geschäftsbetrieb (Kosten für die Börsennotierung, Wirtschaftsprüfer, Verwaltung etc.) benötigt, wodurch allmählich das Eigenkapital abschmilzt. Impulse können von Kaufgerüchten ausgehen.

Die im Chart als Beispiel herangezogene Mandarin Capital weist so bei einem Eigenkapital von 200.000 € einen jährlichen Bilanzverlust von ca. 4.000 € aus.


Klassische Mantelaktien


Die Kurse klassischer Mantelaktien, die die Insolvenzphase mit ihrem Kurseinbruch bereits hinter sich haben, segeln ebenfalls lange Zeit in einem ruhigeren Fahrwasser, wie beispielsweise die NAK.


Das ändert sich jedoch abrupt, wenn ein operatives Geschäft in den Mantel eingebracht wird, wie dies bei der Duebag auf der Hauptversammlung am 24. Juni 2011 erfolgte, als die Aktionäre die Umfirmierung in getgoods.de AG und eine Sachkapitalerhöhung beschlossen, durch die 100% der HTM GmbH Handy-Trends + More in die umfirmierte Gesellschaft eingebracht wurden.

Der Durchschnitt: Verlierer und Gewinner


Auch das Kursleben von Gesellschaften ohne operatives Geschäft bietet somit zahlreiche Facetten, bei denen sowohl deutliche Gewinne und Verluste auftreten. Wenn man nach den Renditechancen von Investitionen in diese Anlageklassen fragt, muss man daher nach durchschnittlichen Entwicklungen suchen.

In einer kleinen Untersuchung wurden daher für den Zeitraum zwischen dem 1.9.2010 und dem 30.6.2012, also für 22 Monate Depots aus jeweils 20 Insolvenz- sowie klassischen und synthetischen Mantelwerten gebildet.

Die Ergebnisse sind in der folgenden Tabelle dargestellt:


Durchschnittliche Depotentwicklung in zwei Jahren (1)

Kursentwicklung
Insolvenzaktien
Synthetische Mantelwerte
Klassische Mantelwerte
Durchschnittliche
Kursentwicklung 
+138,5 %
-36,6 %
+761,6 %
Totalverluste in %
20
 0
5
Verliereraktien insgesamt in%
80
70
60
Gewinneraktien insgesamt in %
20
30
40
Vervielfacheraktien in %
10
 0
30


In drei Mantelgesellschaften wurde in diesem Zeitraum ein neues operatives Geschäft eingebracht, wobei auch jeweils eine Umfirmierung erfolgte. Es sind dies: die Eyemaxx Real Estate  (ehemals Amictus), getgoods.de (ehemals DUBAG) und Mox Deals (ehemals Mediasource).

Eine ganz besondere Karriere weist in diesem Zeitraum die Aktie von Maier + Partner auf, die ebenfalls für ein neues operatives Geschäft fit gemacht wurde.

Auch ohne die beiden Extremfälle, also den Totalverlust bei Sunburn und die fast einmalige Kursexplosion bei getgoods betrug die durchschnittliche Entwicklung der achtzehn restlichen Aktien noch 29,2 %.

In dieser Zeit stieg der SDAX als Vergleichindikator von 4.113,62 auf 4.815,79, also um 17,1 %.

Danach erscheinen die klassichen Mantelwerte als eine von ihrer Renditenetwicklung her sehr interessante Anlageklasse, und das sogar wenn man sie nur nach einem Buy-and-hold-Prinzip auswählt und anschließend verwaltet.

(Fortsetzung folgt!)


(1) Die Depots bestanden aus folgenden Aktien, die nach einer Diskussion im Forum von amiculum.de ausgewählt wurden:

a) Klassische Mantelwerte: a.i.s., Amictus, Arndt, BHE, DÜBAG, F.A.M.E., Fr. Nols, German Brokers, Mediasource, NAK Stoffe, Omiris, Pinguin, Pittler, Porta Systems, Q-Soft, Questos, S&R Biogas, Softmatic, SPAG und Sunburst

b)Synthetische Mantelwerte: Aquamondi, Areus International, Artamia, Artemis Global Capital, Babylon Capital, Braivestor, Con Value, Equipotential, Horizont, Mandarin, n2 Nanotech, Nano Strategy, Ocagon Energy,
Protektus, Q2M, Schraad Metallbau, Tacitus, Tauris Bet., Valara Capital und Xerius

c) Insolvenzwerte: Arcandor, Arquana, Böwe, Cargolifter, CBB, Comtrade, Condomi, DLO, Gold-Zack, ISION Internet, Kampa, Maier + Partner, Met(a)box, Pfaff, Realtos, Stolberger Telecom, TV-Loonland, Walter Bau, Wanderer und WCM

Quellen:
Floros, Ioannis V. und Sapp, Travis, Shell Games: On the Value of Shell Companies, in: Journal of Corporate Finance, 2011, S. 850-886.
Kruse, Gereon, Tria IT-Solutions. 567 Prozent Kursplus in vier Tagen, Börse online vom 7.9.10.
Ders., Tria IT-Solutions Der 75.900-Prozent-Wahnsinn, Börse online vom 28.09.10.
Morrien, Rolf, Zombie-Aktie Tria IT Solutions: Vorsicht vor der große Abzocke, Newsletter vom 7.9.2010.
NN, Die tödliche Kunst der Aktienmanipulation
Skeptulant, Überrendite?, im Forum von www.amiculum.de